Auf Wiedersehen Frau R.! - Was meine Klienten heute dank ihr von mir erwarten dürfen

25. Apr, 2018

Die Zusammenarbeit mit einer Ärztin, Therapeutin und Supervisorin hat mein Leben und Arbeiten maßgeblich geprägt.

Mein Leben darf schön sein

Sie ist tot. Ich habe es überraschend und zufällig letzten Sonntag erfahren. Unser letzter Supervisions-Termin war im November 2016. Wir haben uns verabschiedet und gesagt „Bis Januar!“ Als ich den Termin im Januar verlegen musste, sagte mir die Helferin in Ihrer Praxis, dass der Termin nicht stattfinden könne. Frau R. sei krank. Bis wann? Das wisse sie nicht. Ich könne mich im März nochmal melden. Im März hieß es dann „dauerhaft erkrankt“. Im Mai habe ich erfahren, dass Sie Ihre Praxis verkauft hat. Von ihr selbst. Per SMS. Das war mein letzter Kontakt. Zwei weitere SMS im Juni und Dezember blieben unbeantwortet. Und jetzt die Traueranzeige in der Rheinischen Post. Verstorben im Februar.

Mein Einstieg in die Welt der Persönlichkeitsentwicklung: Eine eigene Krise mit einer tollen Begleiterin!

„Meine Frau R.“, so habe ich sie immer gegenüber meinem Mann genannt. Natürlich war sie nicht meine. Und doch: Als ich sie 2001 kennenlernte, da ging es mir schlecht. Ich war an einer Angststörung/ Depression erkrankt und suchte Beistand. Damals konnte ich mit dem Thema Psyche eher nur theoretisch etwas anfangen. Von Haus aus naturwissenschaftlich-rational geprägt waren Gefühle und Psyche eben nicht rational genug. Ich war mit dieser Welt der Therapie und Persönlichkeitsentwicklung wenig vertraut. Eher im Gegenteil: Einmal krank hielt ich selber für „bekloppt“, hatte die Überzeugung, dass mit mir etwas nicht stimmen würde. Sie machte die Tür auf, und ich wusste auf den ersten Blick: Egal was kommt, bei Ihr bin ich richtig. Mit Ihr habe ich dann meine Biografie aufgearbeitet, in mehreren Lagen. Ich entwickelte ein tiefes Interesse, für das, was da in mir und in uns allen passiert. Die Gespräche mit Ihr und diese Erkrankung läuteten eine umfassende Persönlichkeitsentwicklung ein. Nichts Menschliche war ihr fremd. Selber jahrelang in der Forensik (Anm.: Forensische Psychiatrie befasst sich mit der Schuldfähigkeit und der Einschätzung des Gefährlichkeitsgrades von Straftätern sowie deren Behandlung.) aktiv und als Gutachterin beim Gericht tätig. Sie hatte so manches so erlebt. Zuerst war da die Therapie bei ihr.  Dann kamen immer wieder Einzelstunden, die ich für meine Psychohygiene nutzte. Und mit dem Schritt in die Selbstständigkeit als Coach und Trainerin buchte ich sie dann für Supervisionen. Immer wieder hatte ich Coaching-Fälle, bei denen die Abgrenzung zur Therapie nötig war. Die Grenzen sind fließend. Und tatsächlich lehnte ich zwei Coachings ab, weil im Gespräch mit ihr klar wurde, dass diese Personen etwas anderes brauchten als einen Coach.

Eine langfristige Lebensbegleiterin

Ich heiratete, reiste mit meinem Mann um die Welt, arbeitete, machte meine Karriere, hatte Fehlgeburten, bekam meine Kinder, erlebte Erschöpfung nach durchwachten Nächten beim Stillen, verlor darüber für lange Zeit meinen guten Schlaf, fand ihn wieder… alles mit ihr im Rücken. Über 100h intensive Gespräche in 15 Jahren. Es gab keine Tabus, nirgendwo sonst war ich so offen. Und ich lernte unendlich viel! Während der Therapie traf ich sie einmal pro Woche, recht bald alle 2, dann alle 4 Wochen. Danach wurden die Abstände größer und pendelten sich bei 2-4 Monaten ein.

Ich finde ja ehrlich, dass jeder von uns so eine Anlaufstelle haben sollte! 😊 Und tatsächlich gibt es unter meinen Kundinnen mittlerweile einige junge Frauen, für die ich so eine Rolle anfange zu übernehmen. Was ich sehr gerne mache!

An was ich mich besonders erinnere: Charisma und Ausstrahlung

Frau R. war sehr groß für eine Frau. Ruhig, wachsam und sensibel, aber doch mit einem starken Bewusstsein für Grenzen. Nie hätte ich Ihren Vornamen benutzt! Ich mochte diesen Hauch von Sturheit, der manchmal durchblitzt, ihren guten Humor, den mitunter auffälligen bunten Schmuck. Aber nie zu viel davon. Mit Stiefeln wirkte sie dann noch größer. Die Haare mit einem Klammer hochgesteckt. So warmherzig und sympathisch. Eben eine Person mit einer besonderen Ausstrahlung und Charisma. Und doch nahbar: Ich fand es toll, dass das Hortensien-Beet an Ihrem Haus gefühlt nur zweimal im Jahr von einem Gärtner(?) gemacht wurde. Es war dadurch üppig, leicht wild, aber wunderbar. Auch den Beutel Tee Minze-Honig habe ich über sie entdeckt.

Ganz besonders fasziniert hat mich vor allem am Anfang ein Kunstwerk, das in ihrer Praxis hing: Lohn der Arbeit von Viktor Bonato: Geschredderte 100 DM Scheine in einem Plexiglas-Koffer. Für mich, die ich damals aus der Management-Welt kam, regelmäßige Geschäftsreisen nach London machte und in einer Welt steckte, in der es besonders auf Statussymbole ankam geradezu ungeheuerlich! Feine Ironie und Konfrontation zugleich

Ihr auch fachlicher Einfluss auf meine Arbeit – was Klienten dank ihr heute bei mir erfahren werden

Sie hatte eine Ausbildung in tiefenpsychologischer Therapie. Dies prägte ihre Arbeit sehr. Gleichwohl sagte sie immer wieder, wie sehr sie freestyle arbeiten würde, viele Methoden und Einflussgebiete kombiniert zur Anwendung bringen würde. Ich habe mir Vieles gemerkt, in mich aufgesaugt. Nicht nur Dinge für mich, sondern auch Methodisches. Mit der Zeit merkte ich, dass mein Stil sich anders entwickelte. Ich bin sicherlich weniger abwartend, habe mehr Trainingsanteile und Sparringselemente in meinen Coachings. Aber es sind eben auch Coachings, und keine Therapien. Dennoch: Bis heute gibt es beruflich immer wieder Momente, in denen ich Sie innerlich kurz um Rat frage und dann auch eine Eingebung erhalte… 😊

Ich habe versucht, zusammenzustellen, welche Inhalte, Ansätze und Aussagen von ihr ganz besonders tief in meiner Arbeits- und Lebensweise integriert sind. Es ist sicherlich nicht originär von ihr, schon klar, aber ich habe sie bei ihr durch und durch persönlich erfahren und tief verinnerlichen können:

  • Als Berater öffne ich einen Raum für den Austausch. Im Gespräch (egal ob Therapie oder Coaching) entsteht ein solcher Raum zwischen den beiden Teilnehmenden, den ich öffnen und halten muss. Alleine, dass ich diesen Raum anbiete, macht meistens schon einen großen Unterschied, für viele Klienten. Dieser Raum ist geprägt durch meine ungeteilte Aufmerksamkeit, Wertschätzung und Präsenz. Oft braucht es phasenweise gar nicht mehr, denn viele sind eine solche Gesprächskultur in unserer schnelllebigen Zeit gar nicht mehr gewöhnt. Manch einer hat sie noch nie erfahren.
  • In diesem Raum ist alles erlaubt. Alle Gefühle und Wahrnehmungen des Klienten sind erstmal richtig und wichtig und verdienen Beachtung. Traue deiner Wahrnehmung! Dazu ermutige ich meine Klienten immer wieder, vor allem auch, die unangenehmen Gefühle und Gedanken wahrzunehmen, wahr sein zu lassen.
  • Es ist so wichtig, dem Klienten mitunter eine Spiegelung, eine Rückmeldung zu geben, welche eigenen Emotionen sich vielleicht bei bestimmten Berichten einstellen. Gerade wenn ein Klient z.B. Wut gar nicht kennt, ist es immer wieder sehr relevant, auf diese Weise eine andere Perspektive zu erfahren, auch dass ich tatsächlich bei einer berichteten Ungerechtigkeit Wut empfinde. Diese Technik beherrschte sie meisterhaft, und mir eröffnete es immer wieder neue Blickwinkel auf mein Gefühlsleben.
  • Veränderungen brauchen mitunter Zeit! Ich darf als Begleiter nicht zu sehr auf Veränderung drängen oder den Prozess aktiv pushen. Nicht zu viel beibringen oder beibiegen wollen! Der Klient hat seinen eigenen Rhythmus und ist kompetent für seine Entwicklung. Und: Es gibt für jeden Entwicklungsschub den richtigen Moment! Manchmal kann ich starke Formate aus dem NLP und der Hypnose nutzen, weil ich merke, dass der Klient „reif“ dafür ist. Zu anderen Zeitpunkten reicht ein ruhiges Gespräch mit Reflektion am Flipchart mehr als aus. Dieses Gespür muss man als Begleiter entwickeln. Im Coaching gibt es viele Ansätze, die in kurzer Zeit viel Effekt ermöglichen oder auch versprechen. Nicht alles davon ist aber immer angebracht. Das ist aus meiner Sicht tatsächlich auch ein großer Unterschied zwischen Coaching, bei dem ich erstmal von einem gesunden Grundzustand des Klienten ausgehe, und Therapie.
  • Jeder Mensch ist für sich selbst verantwortlich! Jeder ist kompetent genug dafür. Ich darf und muss die Verantwortung beim Coachee lassen. Überhaupt die Fragen: Wer hat die Verantwortung für eine bestimmte Sachlage? Was ist davon eigentlich originär mein Problem?
  • Hinter jedem Verhalten steckt eine gute Absicht! Auch hinter Verhalten, dass kein anderer außer dem Betroffenen zunächst verstehen kann. Wie gesagt, sie hatte in der Forensik sicher viel gesehen, auch wenn sie nie in Details gegangen ist.
  • Wir stehen in einer Ahnenkette. Wir haben genetische Wurzeln und Verhaltensmusterketten, die zum Teil mehrere Generationen hindurch wirken. Solche Ketten können vom einzelnen aber durchbrochen werden. Stichworte wie Epigenetik, morphische Felder (https://de.wikipedia.org/wiki/Morphisches_Feld) fielen. Alles Themen, die ursprünglich weit außerhalb meiner Welt lagen.
  • Alternative Vorgehensweisen hatten bei ihr ein Recht auf Raum: Homöopathie, Energiearbeit, Ostheopathie… Warum nicht offen sein für Erfahrungen außerhalb der Logik? Für mich waren das am Anfang böhmische Dörfer. Aber, so dachte ich, wenn sie das macht oder ernsthaft in Erwägung zieht, vielleicht kann ich doch auch was damit anfangen? Sie gab nie was vor, ließ mich entdecken. So kam ich zu Reiki, Yoga, Meditation und dem Folgenden.
  • Last but not least – die Einbeziehung des Unbewussten & Hypnose: Anfang 2015 hatte ich schon die Weiterbildung im Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) gemacht – ein Ansatz, der stark mit den Kräften des Unbewussten arbeitet. Frau R. war zu dem Zeitpunkt bereits in Ausbildung für Hypnose. Dies war etwas, wovon sie sehr überzeugt war. Wir haben nie mit Hypnose gearbeitet; es war nicht die Form unserer Zusammenarbeit. Sicher auch, weil ich lange Angst davor hatte und viele Vorbehalte. Das hat sie mit Sicherheit wahrgenommen. Aber auch dank der Weiterbildung in ZRM habe ich mich „rangetastet“. Anfang 2016 habe ich dann tatsächlich eine Ausbildung zur lösungsorientierten Hypnose (eigentlich Hypnotherapie) begonnen, die bis jetzt andauert und die ich zu gut 3/4 durchlaufen habe. Ein weiterer Meilenstein, sowohl für mich persönlich als auch für mein Coaching-Angebot.

Starke Sätze – Wie soll es denn sein?

  • Selbst Mutter von 2 Kindern, die allerdings älter sind als meine, war Erziehung und Umgang mit sich selbst dabei durchaus immer wieder Thema, auch weil ich nach einem besseren Vorgehen suchte als das, was ich selber erfahren hatte. Eines Tages ging es darum, dass meine Kinder, damals vielleicht 5 und 7, keine Lust hätten, auch nur kleinste Wanderungen zu machen. Sie lachte kurz und sagte nur, immer noch lächelnd „Bei kleinen Kindern, die gerne wandern, stimmt meistens etwas nicht – vor allem mit den Eltern!“ – was habe ich grinsen müssen…
  • Nochmal zu Kindern – mein Großer hatte früh die Lust auf Schule verloren und trödelte und träumte sich durch den Tag, war viel frustriert – ihr Hinweis: „Achten Sie darauf, dass Ihr Sohn außerhalb der Schule etwas findet, woran er Spaß hat. Es kann sein, dass Schule für ihn längerfristig frustrierend bleibt. Und es ist hier wichtig, auf eine gesunde Selbstwert-Entwicklung zu achten.“ So ähnlich. Eines der ganz wenigen Male, dass Sie konkret einen Ratschlag gab, den ich dadurch aber immer sehr gerne angenommen habe.
  • „Bei Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern sind die Erwachsenen verantwortlich für die Beziehung!“
  • Jedes Mal, wenn ich einen Zustand oder eine Sachlage bejammerte, dann kam sehr bald ihre liebevoll dirigierende Frage „Wie soll es denn sein?“ – nicht jammern, sondern kreieren und manifestieren!

Es gibt noch so viel mehr, und ich habe mir vorgenommen, alle meinen alten Tagebucheintragungen zu durchforsten. Oft habe ich unsere Termine dort stichwortartig dokumentiert.

Sicherlich war sie für mich viel wichtiger als umgekehrt. Und gleichzeitig gehöre ich vielleicht zu denen, bei denen ihre Arbeit richtig Früchte getragen hat.

Ihr Leben hat einen Unterschied gemacht!

Ein Philosoph hat mal gesagt, dass er gar nicht verstehe, warum die Leute Angst haben vor dem Sterben, und dass es sie ja hinterher gar nicht mehr geben würde. Die eigene Nicht-Mehr-Existenz macht Angst. Dabei, so der Philosoph, sei es doch auch nicht anders als vor der eigenen Geburt. Dieser Zustand ist vorstellbar und macht keine Angst. Aus Sicht des Einzelnen kann man das so sehen. Und der Gedankengang erleichtert tatsächlich, finde ich. Und doch trifft es nicht ganz zu: Denn dazwischen liegt ein Leben, das einen Unterschied machen kann. Im Fall von Frau R. für sicherlich sehr viele Menschen. Die Welt ist jetzt nicht mehr die Gleiche!

Liebe Frau R.! Ich habe in meinem Tagebuch nachgeschaut: Sie sind am Karnevalsfreitag verstorben. Die Nacht danach habe ich fast nicht schlafen können und habe in meinem Tagebuch notiert, dass ich überhaupt nicht wusste, warum. Die Woche danach war ich so richtig erkältungskrank, wie schon 10 Jahre nicht. Aber es war eine eigenartige Erkältung. Kaum Symptome wie Husten und Schnupfen, sondern eine völlige Erschöpfung. Ich habe nur herumgelegen. Ja, die Grippewelle lief gut dieses Jahr, und ja, vielleicht ist es Zufall. Und gleichzeitig denke ich, dass meine energetische Ebene Ihre Veränderung wahrgenommen hat. Ehrlich gesagt, so überrascht war ich über die Todesanzeige doch nicht mehr…

Ich danke Ihnen für alles, was Sie für mich getan haben und ich verneige mich vor Ihnen! Sie haben der Welt und mir persönlich viel hinterlassen, dass bleiben wird.

Es war richtig, dass Sie sich am Ende um sich gekümmert haben. Ich wusste in diesem letzten Jahr auch immer instinktiv, dass ich jetzt Abstand halten muss. Dass ein Abschnitt vorbei ist. Ich hatte so viel bekommen, mehr als genug. Dafür bin ich dankbar. Und jetzt ist es an mir, das weiterzugeben.

Bis heute verabschiede ich tatsächlich fast alle meine Klienten mit Ihren Abschiedsworten: „Ich wünsche Ihnen eine gute Zeit!“ Das werde ich beibehalten, in Gedenken an Sie.

Und das wünsche ich Ihnen auch – eine gute Zeit –  egal wo Sie jetzt sind! Auf Wiedersehen!

Ihre Julia Peters

P.S.: Das Foto zeigt den Ausschnitt eines Armbands, das ich mir vor Jahren nach einem Gespräch mit Frau R. gekauft habe. Es ging in diesem Gespräch darum, dass ich mir mein Leben schön machen darf, auf dass es glitzert und funkelt. 🙂

P.P.S.: Und dies hier habe ich die Tage von einer lieben Freundin als Tipp bekommen. Es passt in die Stimmung und in die Intention, dass das Leben weitergeht und der Moment wunderschön sein kann, wenn ich das wahrnehme…

Gehmeditation von Thich Nath Than

Frieden ist jeder Schritt.

Die rote Sonne ist mein Herz.

Jede Blüte lächelt mit mir.

Wie schön grün alles ist, was wächst.

Wie kühl der Wind ist.

Frieden ist jeder Schritt.

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